Mein Mann war Bandreißer

Meta Brütt erzählt

Stöckebasten - Familienarbeit
Stöckebasten - Familienarbeit

Meta Brütt wurde 1917 geboren. Sie hatte 7 Geschwister und ihre Eltern bewirtschafteten einen kleinen Bauernhof. 1938 heiratete sie den Bandreisser Heinrich Brütt aus Hohenhorst.
"
Mein Mann arbeitete als Bandreißer und hatte seine Werkstatt hier im Haus. Er stellte Faßreifen für Butterfässer her und Kränze. Die Arbeit des Bandreißers ging so vor sich, daß ein dreißig Zentimeter langer Weidenstock geschlagen wurde, und der wurde dann eingepflanzt. Wir haben diese Weiden hauptsächlich hier im Außendeich gepflanzt. Damit das Unkraut nicht so hoch kam, wurde im Pril noch gejätet. Das habe ich auch noch mitgemacht. Das Holz haben wir selbst drüben auf der anderen Seite der Elbe auf unserem Pachtland im Außendeichgebiet angebaut und später dort geschnitten.

Nach drei Jahren wurde der erste Schnitt gemacht. Das Holz wurde aufgebunden, und dann mit dem Schiff über die Elbe gefahren und an der Haseldorfer Schleuse am alten Hafen abgeladen. Das war eigentlich nicht gefährlich, man mußte nur aufpassen, daß man das Schiff nicht zu hoch belud. Danach wurde das Holz auf ein Fuhrwerk geladen und hierher nach Hause gefahren. Hier hat es dann mein Mann in verschiedene Längen abgehauen. Danach wurden die Holzabschnitte in den Graben eingesetzt, damit sie etwas anwuchsen. Dadurch ließ sich die Rinde des Holzes leicht lösen. Wenn die Stöcke etwas angewachsen waren, wurden sie wieder aus dem Graben herausgeholt, und nun begann die Arbeit der Frauen und Kinder.


Stöcke basten

"Die Aufgabe der Frauen und Kinder war es, die Borke der Weiden zu lösen, das hieß "Stöcke basten". Manchmal war die Borke ganz lose, und man konnte sie so abreißen, aber manchmal brauchte man auch eine Zange, "Kniep" sagten wir dazu. Das war in den ersten Jahren so, danach kamen die Maschinen. Wir haben gleich von Voß in Haseldorf eine Stöckebastmaschine gekauft, damit ging die Arbeit leichter. Danach wurde das Holz oben und unten aufgebunden, gezählt nach 5, 20, 36, und dann zum Trocknen hingestellt. Wenn es getrocknet war, wurde es auf den Boden geschleppt und später zur Bearbeitung wieder heruntergeholt. Zur weiteren Bearbeitung hat mein Mann das Holz gespalten. Das zeigt auch das Foto von ihm bei dieser Arbeit. Das Holz wurde aufgespalten und dann beschnitten, damit der Reifen rund wurde."

Butterfässer für Dänemark

"Weiße Reifen benötigte man für Butterfässer in Dänemark. Händler fuhren durch die Marsch, die die Bänder aufkauften. Danach wurden die Bänder auf Fuhrwerke verladen. Das hat mein Vater damals gemacht. Das Holz wurde nach Uetersen gefahren, und von dort ging es mit Eisenbahnwaggons nach Dänemark. Später nahm man statt der Bänder aus Weidenholz Kunststoff. Dann war es mit den weißen Reifen vorbei. Wir brauchten keine Stöcke mehr weiß machen, nur die grauen wurden gespalten und gebunden. Das waren dann Krenzreifen."

Ein mühsames Handwerk

"Außer uns waren in der Straße noch Kiehn und Höge Bandreißer, sie machten dasselbe. In Hohenhorst waren Kruse, Koopmann, Büll und Brütt. Es gab damals viele Bandreißer in der ganzen Marsch. Besonders auch in Scholenfleth, Haseldorf und Hetlingen. Es war das Haupthandwerk in der Marsch. In Seestermühe gab es auch noch Bandreißer. Für einen Bandreißer in Seestermühe hat mein Mann zuletzt noch Reifen gemacht. Die Stöcke wurden hergebracht, und mein Mann hat sie gebogen.

Es war ein mühsames und schweres Handwerk. Auch das Holz zu tragen, das war ganz schwer. Viel verdienen konnte man mit der Bandreißerei nicht, man hatte kaum etwas übrig. Ich habe mir alles so angenoimmen, ich hatte es ja nie richtig gelernt und mußte es so mitmachen. In den 50iger Jahren konnten wir kaum noch Bänder verkaufen. Oft hielten wir die Straße entlang nach einem Händler Ausschau."

Alles ist vergänglich

"Das wurde später aus Polen und Holland geliefert und die Stöcke wurden dann hier verarbeitet. Alles ist vergänglich. Nun ist das alte Handwerk ja so zu Grunde gegangen bis auf zwei Bandreißer noch hier in der Marsch. Einer ist in Hetlingen und einer in Haseldorf. Nachdem man mit der Bandreisserei kein Geld mehr verdienen konnte, wurde mein Mann auch bald Rentner. Er bekam mit 60 Jahren die sogenannte "Landabgabe-Rente" von der Landwirtschaftskasse. Wir sind alle die Jahre nie verreist. Aber in den letzten Lebensjahren meines Mannes haben wir noch viermal eine Reise machen können. Heute freue ich mich, daß wir da noch loskommen konnten, denn mein Mann starb viel früher als erwartet. Er starb auf der Rückfahrt von einem Ausflug mit dem Fahrrad an einem Herzinfarkt. Er ist nur 74 Jahre alt geworden."